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Depressionen- die schwarze Regenwolke

Ich habe meinen Kampf allein geführt. Habe für mich still und heimlich geflennt.

  • Innere Mitte und so

Damals mit 13 war ich (unter Anderem) wegen schwerer Depressionen in Behandlung.
Die Regenwolke über meinem Kopf war riesig und hat mich fast erdrückt.

Meine Familie, meine Freunde…ich hab sie fast in den Wahnsinn getrieben. Sie waren wahrscheinlich ungefähr genauso verzweifelt, wie ich.

Long story short…die Wolke ist irgendwann weitergezogen und fortan schien mir die Sonne aus dem Arsch.

Seitdem ist viel passiert in der Öffentlichkeit, was solche Erkrankungen betrifft. Plötzlich, so heisst es, müsse man sich gar nicht mehr dafür schämen. Plötzlich ist es völlig okay, wenn man einen Therapeuten hat.

Ist das wirklich so?

Wo ist der Unterschied zu «bei mir läufts gerade nicht so gut», «ich bin aktuell ziemlich antriebslos», «manchmal könnt ich einfach heulen und weiss nicht wieso» und «Ich habe Depressionen?»

Und ist es überhaupt wichtig da einen Unterschied zu machen? Braucht es eine Diagnose? Braucht es nicht viel mehr eine Lösung- und dann ist der Name des Problems doch auch völlig Latz.

Ich war knapp zehn Jahre Abteilungsleitung, hatte Mitarbeiter, die wegen Depressionen krankgeschrieben waren- monatelang. Die auf Facebook dann Bilder am Strand gepostet haben. Und dann die anderen Mitarbeiter- die dafür gar nicht so viel Verständnis hatten (obwohl es alles ausgebildetes medizinisches Personal war). Vielleicht waren es aber gerade die Strandferien, die der Mitarbeiter gebraucht hat, um seine schwarze Wolke zu vertreiben.

Wir urteilen- immer. Wir sehen nur, was wir sehen sollen/wollen.

Was gibt uns das Recht, den Gemütszustand eines Anderen zu bewerten oder gar zu verurteilen? Ist es nicht so, dass es uns verdammte Scheisse auch einfach nichts angeht?
Natürlich gibt es immer Menschen, die einfach falsch sind. Die zum Hausarzt gehen, bissl rumheulen und sich n Schein holen, weil sie ihrem Arbeitsgeber eins reinwürgen wollen oder einfach keinen Bock auf Schaffen haben. Die gibt es aber genauso in der Kategorie Magen- Darm und Rückenschmerzen. Lass sie doch! Ändert es etwas, an DEINER Situation? Musst du mehr arbeiten, ob der andere schwerst depressiv im Nest liegt oder sich vor der Playstation n Lenz macht? Er ist nicht am Arbeitsplatz- so oder so. Das Resultat ist für dich doch dasselbe.

Es gibt Menschen, die trifft die Regenwolke nach nem harten Schicksalsschlag (Angehörige verloren, Scheidung, Kündigung, was weiss ich) und es gibt genug Menschen, da zieht sie einfach so am Horizont auf.

Einfach als Aussenstehender zu sagen «du hast doch alles, was du brauchst», «Ist doch alles halb so wild». Das weiss der Betroffene selbst, das ändert aber nichts an seiner Lage- reinweg gar nichts.

Ob wir so Menschen als Freunde, Angehörige, Kinder, Eltern wirklich helfen können, das sei dahingestellt. Ich denke, die Frage würde jeder Betroffene für sich selbst anders beantworten.

Therapieplätze zu bekommen ist auch heute noch ein Kampf.

Das weiss ich nur zu gut durch meine Zeit in der Notaufnahme. Wenn du da nicht schon mit dem Strick um den Hals oder sechs Rasierklingen im Magen reingehinkt kommst und völlig hinüber bist, wird es schwer, n Bettchen in der Klinik für dich zu bekommen. Da hats Wartelisten bis nach Polen.

Letztes Jahr hatte ich auch mal wieder für zwei Monate die Regenwolke überm Kopf.

Ich hab mit Niemandem drüber gesprochen (ausser mit meinen Hunden und meiner Freundin Mariza). Ich habe meinen Kampf allein geführt. Habe für mich still und heimlich geflennt. Habe mich gezwungen, zur Arbeit zu gehen, dort gelächelt, anderen Menschen geholfen und funktioniert.
Warum kam die Wolke über meinen Kopf? Warum hat es knapp 60 Tage für mich geschüttet wie aus Eimern?

Ich weiss es nicht. Und es ist mir auch egal. Für mich war nur wichtig, wie ich da wieder rauskomme. Ohne externe Hilfe- weil das eben ich bin (was absolut nicht heisst, dass das richtig ist).

Irgendwann war der Wind wieder stark genug. Die Wolken sind weitergezogen.

Die Sonne schien wieder für mich und tut es auch jetzt jeden Tag.
Es hat mir einmal mehr gezeigt, dass Niemand von uns vor diesem «Regenwolken Virus» sicher ist.
Also falls DU denkst du bist es (wenn du das nächste Mal über Menschen urteilst, denen es gerade sehr schlecht geht)- Obacht, Freundchen- nicht das du auch mal die volle Breitseite zu spüren kriegts, das wünsche ich meinem schlimmsten Feind nicht.

Ich habe einige Menschen in meinem Umfeld, die kämpfen. Einige schon jahrelang. Andere erst ein paar Wochen. Ich kann ihnen nicht helfen.
Ich weiss aus eigener Erfahrung, dass man seinen Weg für sich finden muss. Das Jammern einen nicht weiterbringt, aber manchmal auch einfach sein muss. Das es Wahnsinn ist, das Glück von äusseren Faktoren abhängig zu machen. Die Depression kommt von Innen. Die wird nicht gehen, wenn du plötzlich reich bist, nicht mehr Singel, im neuen Job oder ausgewandert. Du musst daran arbeiten, jeden verdammten Tag und dich nicht aufgeben!

Und ich weiss, dass jeder Einzelne von ihnen sich sooo sehr dafür schämt, dass er nicht 100% wie gewohnt funktioniert.

Und das im Jahr 2024, wo wir doch sagen, man müsse sich für psychische Erkrankungen nicht schämen- komisch.

Wenn du das nächste Mal so jemanden still und heimlich für dich verurteilst, dann sei dir bewusst, dass du immer nur die Spitze des Eisbergs siehst, dass es keinen Menschen gibt, den du wirklich 1000% kennst. Das du nie weisst, was dieser Mensch vielleicht in seiner Kindheit oder in seinem Job oder wo auch immer durchgemacht hat, dass er jetzt so traurig ist.

Ich bin mir sicher (die paar Simulanten Arschlöcher auf der Welt ausgenommen) gibt es Niemanden, der sich so einen Zustand aussucht und Niemanden, der nicht alles dafür geben würde, die Regenwolke wegzuschieben- aber eben in dem Moment die Kraft einfach nicht hat. Tritt nicht noch gegen, wenn jemand am Boden liegt, sonst wirst du leider in der Hölle schmoren müssen.