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Bikepacking

Ich bin glücklich wie ein kleines Mädchen, strahle, habe kurz Pipi in den Augen, aber das würde ich niemanden erzählen, bin schliesslich n Eisklotz und so n Berg löst doch sicher keine Emotionen bei mir aus- wo kommen wir denn da hin!?

  • Geschichten aus dem Leben

Ab und zu muss ich noch aus dem Hamsterrad Leben ausbrechen. Nicht mehr so extrem wie früher, aber ich brauch immer mal wieder n klitzekleines Abenteuer. Das Thema Bikepacking kam mir da gerade Recht.

You Tube und Instagram sind bei der Planung ziemlich nützliche Tools.

Wie auch beim Vanlife wusste ich natürlich nicht, ob es mir wirklich gefallen wird. Also erstmal billiges Equipment kaufen. Muss ja nicht immer gleich das Beste vom Besten sein.
Bevor es ans Shopping ging mussten aber noch andere grundlegende Fragen geklärt werden:
Allein oder in Gesellschaft?
Schweiz oder Ausland?
Zelten oder Hotel/ Hostel?
Gravel oder Roadbike?

Es gibt nur eine Person, mit der ich mir sowas vorstellen könnte- Püppen.

Also hab ich mal vorsichtig angefragt, ob sie Böcke hat und sie war sofort Feuer und Flamme. Glücklicherweise hats sogar ziemlich kurzfristig n Match bei unseren freien Tagen gegeben, gar nicht immer so einfach, wenn beide in Schichten schaffen. Bei Püpp weiss ich, ich ertrag sie auch länger als zwei Stunden, ich weiss, dass sie die Natur genauso liebt wie ich und auch ne ziemlich sportliche Mausi ist.

Für den Anfang haben wir uns für die Schweiz entschieden. Verstehen wir die Sprache, haben keine zusätzlichen Kosten durch Internet und sind im Zweifelsfall schnell und unkompliziert mit dem Zug wieder heim, falls das Wetter kippt, oder was passiert.

Püpp war anfangs von meiner Zelt Idee nicht so begeistert. Und ich zu geizig und zu naturverliebt um in Hotels abzusteigen. Ich konnte sie überreden.

Da unsere Route über n paar Pässe führen sollte, haben wir uns für das Roadbike entschieden.
Einkaufsliste:
Schlafsack ultralight- bis 10 Grad (70CHF)
Aufblasbare Isomatte ultralight (35 CHF)
Arschrakete- oder auch Satteltasche genannt- 13l (49 CHF)
Lenkertasche (13CHF)
Rahmentasche (27 CHF)
Packliste:
Ersatzschlauch und Werkzeug
Taschenmesser
1x Ersatzvelohose und Veloshirt
Ersatz Sport BH
4 Schlübber (für die Nächte)
Duschgel, Lotion, Labello
Ausweis und EC Karte
Kurze Sporthose
2 ärmellose Shirts
1 Leggings
2 Powerbank, 2 Kabel, 1 Stecker, 1 Vor-und Rücklicht
2 Gopro
1 Regenjacke
1 warme Velojacke
3 Paar Socken
1 Handtuch
1 Paar Birkis

Macht alles in allem verpackt in besagten Taschen 6kg zusätzliches Gepäck.

Leonski (mein Rennrad) kam somit auf ein Gewicht von 15kg.

Die erste Tour ging von zu Hause bis nach Meiringen. Bei bestem Wetter haben wir unterwegs den Brüningpass und insgesamt die ersten 1150 Höhenmeter mitgenommen. Langsam gewöhnen wir uns an das veränderte Fahrgefühl durch das zusätzliche Gewicht. Grosser Nachteil für mich: Durch die Rahmentasche am Oberrohr haben meine Trinkflaschen keinen Platz. Einen Bidohalter musste ich im Vorfeld schon abbauen. An die zweite Flasche komme ich während der Fahrt nicht ran. Den kleinen Bido habe ich am Rücken im Veloshirt und das find ich persönlich recht unpraktisch den da ständig rauszuzerren. Wir kommen am Abend auf einem Campingplatz an. Ein überaus unfreundlicher Oppa zieht uns pro Nase 24 CHF ab und wir bauen ratzfatz das Zelt auf und geniessen die Dusche. Die Veloklamotten waschen wir aus. Der Pizzaservice macht uns glücklich und wir kriechen ins Zelt. Die Nacht ist recht unruhig. Schlafen beide nicht so richtig gut- man ist ja doch verwöhnt vom bequemen Bettchen. Als wir endlich einpennen zieht n schöner Sturm auf und wir müssen nochmal rauskriechen um unsere Klamotten einzusammeln und die Bikes nochmal zu sichern. Natürlich flieg ich im Dunkeln über eine Schnur vom Zelt auf die Fresse.

Frühstück gibt’s auf dem Alpencamping nicht- also radeln wir eingemummelt gegen den Wind los zum Bäcker und hauen uns die Seiten voll.
Der Grimselpass steht heute an.
1600 Höhenmeter- dauert nicht lange, bis wir die Klamotten wieder abwerfen und beide tropfen wie n Kieslaster. Die Sonne ballert und wir kommen aus dem strahlen über die wunderschöne Natur nicht raus. Es wimmelt von Motorradfahrern, aber noch mehr von Polizei. An mehreren Stellen ziehen sie die Biker raus und es wurden Blitzer installiert. Dementsprechend fahren sie sehr vernünftig. Auch die Autos überholen uns mit vorbildlichem Abstand.
Oben angekommen haben wir beide unsere Bidos leer getrunken und freuen uns auf Pasta und Cola. Wir sind happy 😊
Mit Respekt gehen wir die Abfahrt an. Ich baller bergab ehrlichgesagt meist ohne Hirn und Verstand runter- meine Rule- ob du mit 60 oder 80 auf die Fresse fällst, am Arsch bist ey, wenn du stürzt- jaja, ich weiss dumm.
Aber mit der Arschrakete und dem zusätzlichen Gewicht am Lenker tasten wir uns vorsichtig ans herunterfahren. Mit jedem Kilometer wird man natürlich mutiger, aber es macht schon n enormen Unterschied zum «normalen» Rennradfahren. Bringt aber nicht weniger Spass.
Unsere Route würde jetzt direkt über den nächsten Pass führen. Wir haben ja aber keinen Stress und keinen Zeitdruck.
Die Natur ist traumhaft und ein Einheimischer weist uns auf einen Camping mitten im Wald hin, der wunderschön sein soll. Ja, warum eigentlich nicht? Wir kommen an, und dürfen uns einen Platz aussuchen. Der Untergrund ist leider zu hart und wir zwei Schlappis kriegen die Heringe nicht in den Boden. Wir laufen den Platz noch weiter nach hinten und finden ein noch schöneres Fleckchen direkt vor einem Wasserfall. Duschen, umziehen und dann ab ins Dorf zum Einkaufen. Stulle mit Brot zum Abendessen. Vielleicht nicht genug Carbs, aber soviel Möglichkeiten hatten wir nicht. Zur Abkühlung halten wir die Beine noch in den Fluss. Nachdem Püpp ihre Antipathie gegen Ameisen halbwegs im Griff hat kriechen wir kurz nach acht auch schon erschöpft ins Zelt und beobachten diese von drinnen weiter. Die Deckelchen fallen schnell zu- wir sind groggy.
Dauert allerdings nicht lang und wir werden wach, weil wir uns den Arsch abfrieren. Bei zehn Grad ist nur mit Schlübbi im Schlafsack dann doch schuppig. Am Morgen ist das Zelt klatschnass. Wir stehen klappernd auf und schleppen all unser Zeugs auf so ne Holzplattform, die halbwegs trocken ist, um dort einzupacken.
Der Platz hat uns 8CHF pro Person gekostet und für 14CHF konnten wir n Frühstück dazu buchen. Unsere Erwartung war nicht sonderlich hoch, aber wir wurden eines Besseren belehrt. Olle Ratten. Da hab ich in vier Sterne Hotels schon wesentlich schlechter gegessen. Wirklich absolut alles, was das Herz begehrt. Frisch, köstlich und absolut liebevoll angerichtet. Der Besitzer vom Platz ein Herzensmensch, wie er im Buche steht. Forest Lounge Camping 10/10- danke vielmals.

Also los jetzt hoch auf den Nufenen Pass- die Einheimischen sagen- es is a Siech.

Die ersten Kilometer ziehen sich wie Kaugummi, es geht bergauf, aber nicht so, dass du dat Gefühl hast, grad n Pass zu bezwingen. Aber dann geht’s los. Die 10 Serpentinen. Lieb ich ja. Die Aussicht- meine Jüte- in was für einem wunderschönen Land darf ich hier bitte leben? Berghoch haben Püpp und ich immer den Deal, dass jeder sein Tempo macht. Irgendwann in Kurve vier höre ich Stimmen hinter mir und denk, Püppen hat n neuen Bro gefunden. Ich schaue mich um und sehe drei Jungs. Nagut, das dürfte ja nicht lange dauern, bis die mich haben, die müssen ja nur ihr Eigengewicht hier hochschleppen. Kurve sieben- ähm- Jungs? Wo bleibt ihr denn? Kleiner Egoboost- tut gut. Kurve acht- sie haben mich. Kurve neun, ein anderer Radler überholt mich freundlich grüssend- seine Beine sprechen Bände- wahrscheinlich ist der Nufenen sein Warm Up- geiler Typ.
Oben angekommen- wieder diese Endorphinchen- die Taschatschatscha in meinen Blutbahnen tanzen. Ich bin glücklich wie ein kleines Mädchen, strahle, habe kurz Pipi in den Augen, aber das würde ich niemanden erzählen, bin schliesslich n Eisklotz und so n Berg löst doch sicher keine Emotionen bei mir aus- wo kommen wir denn da hin.
Püpp und ich entscheiden uns diesmal gegen zerkochte Nudeln in einem der grottenschlechten, überteuerten Pass Restaurants. Kippen mal wieder ne Coke und radeln den Hügel auf der anderen Seite wieder runter. Welcome to Ticino- dat wunderschöne Tessin. Die Strassen sind gar nicht mehr so wunderschön- der italienische Einfluss ist deutlich spürbar. In Airolo gibt’s dann (leckere) Pasta. Am Nachbartisch die drei Jungs. Sind ja schon weit gekommen :-P
Die nächsten 80 Kilometer sind abwechslungsreich. Die Strassen sind wenig befahren, es geht meist ein bisschen bergab, aber der verdammte Wind frischt auf. Nicht das er kühlen würde, er sorgt nur dafür, dass du auch runterzu strampeln musst- wie unnötig. Das Thermometer klettert immer höher, wie zergehen echt wie Eistüten in der Wüste. In Tenero haben wir 1284 Höhenmeter auf der Uhr und checken im Campingvillage ein.
70 Tacken für uns beide zusammen. Ein krasser Platz. Da hats n Supermarkt, n Restaurant, Pool und ich weiss nicht Platz für wieviel Wohnmobile, Zelte und weiss der Henker was. Jeder Platz hat n eigenen Stromanschluss und es gibt n direkten Zugang zum See. Genau da gehen wir auch nochmal hin und quatschen, nachdem es mal wieder Stulle mit Brot zum Znacht gab. Die Nachbarn helfen und mit Bierflaschen die Heringe in den vertrockneten Boden zu dreschen und nach der (sauberen) Dusche gehen wir ins Nest und schwitzen uns kaputt. Nachtruhe ist 22 Uhr und wird danach von der Neighbourhood auch nur noch durch Husten, Streiten und Kindergeschrei unterbrochen- herrlich.
Halb sieben bauen die menschlichen Gestalten vom Platz neben uns ihr Zelt lauthals ab. Merci dafür.
Wir satteln also auch die Hühner und machen uns auf den Weg nach Lugano zum Bahnhof um die Heimreise anzutreten.

Meine Erfahrung mit der SBB sind durchweg schlecht und auch diesmal werde ich darin wieder bestätigt. Um es abzukürzen, wir kommen trotzdem zu Hause an.

Es war eine super schöne Erfahrung, die auf jeden Fall nach Wiederholung und Intensivierung schreit. Die Beine haben das Spielchen erstaunlich gut mitgemacht. Auch dem Arsch geht es den Umständen entsprechend gut. Die Ausrüstung hat sich als einwandfrei herausgestellt. Wir haben nix vermisst und hatten auch von nix zuviel mit.
In der Natur fühl ich mich einfach so unendlich zu Hause. So frei, so dankbar.